Schwarze Löcher

Wer kennt sie nicht, die Monster des Universums? Schwarze Löcher sind gierige Gebilde, die nur eines im Sinn haben: Ihren unglaublichen Appetit nach Energie und Materie zu stillen. Nichts kann einem schwarzen Loch entkommen, selbst Licht nicht. Wirklich nichts? Nicht ganz. Die Quantentheorie ermöglicht es hin und wieder ein paar Teilchen, dem Wirkungsbereich eines schwarzen Lochs zu entfliehen. Dies ist bemerkenswert, denn im Grunde sind die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantentheorie aus grundlegend unterschiedlichen Holz geschnitzt und doch sind Schwarze Löcher auf das Handwerkszeug beider Theoriegebäude angewiesen. Quantentheorie und AR lassen sich jedoch bis heute nicht unter einen mathematischen Hut bringen.  Rein theoretische müsste ein schwarzes Loch aufgrund seines unstillbaren Appetits ständig an Masse zunehmen, also für das umgebende All immer "gefährlicher" werden, da mit zunehmender Masse auch die Gravitation, die vom Schwarzen Loch ausgeht, zunehmen würde. Steven Hawking fand heraus, dass Schwarze Löcher durchaus eine endliche Lebensdauer besitzen, da sie aufgrund von Quanteneffekten durchaus Materie und Energie abstrahlen. In der Quantentheorie ist das Vakuum durchaus keine leeres Gebilde, sondern ein waberndes Kontinuum angefüllt mit virtuellen Teilchen-Antiteilchen Paaren. Aufgrund des starken Gravitationsfeldes eines schwarzen Lochs können (nicht nur am Rand desselben) diese virtuellen Teilchen-Antiteilchen-Paare einen Schubs in die Realität bekommen. Das Teilchen fällt dann in das Schwarze Loch und das Antiteilchen verlässt das Schwarze Loch. Das Schwarze Loch emittiert auch Photonen und Neutrinos.

Es wäre sicher interessant, eine kleine jedoch schmerzvoll kurze Reise in ein Schwarzes Loch anzutreten. Abgesehen davon, dass die änderung der Gravitationskräfte von einem cm zum nächsten einen in Stücke reißen würde, wären die Sinneserfahrungen, verursacht durch verbogene Raum-Zeit-Verhältnisse, durch keinen Vollrausch zu überbieten. Wir wissen bereits, dass Uhren im Einfluss-Bereich der Gravitation relativ zu Uhren in der Schwerelosigkeit langsamer gehen. Am Rande eines schwarzen Lochs verliert der Zeitbegriff sogar jeden Sinn. Uhren hören auf zu ticken.

Wir wollen, oder müssen zunächst wieder ein wenig mathematischer werden, um Schwarze Löcher im Rahmen der AR verstehen zu können. Nebenbei lernen wir aber etwas mehr über den praktischen Umgang mit Einsteins Feldgleichungen. Zu Beginn einer jeden Rechnerei steht ein vernünftiger Ansatz. Man muss versuchen, das zu lösende Problem, durch eine geeignete Näherung zu umschreiben. In der Physik hat man es nur mit Näherungsverfahren zu tun. Wir wollen von einer kugelsymmetrischen Lösung ausgehen, genauer von einer statischen (= zeitunabhängigen) isotropen (nur vom Radius r abhängigen) Lösung des Metriktensors. In sicherer Entfernung vom schwarzen Loch soll die Metrik in die Minkowskimetrik (ohne Gravitation) übergehen, d.h.

Hierbei sind r, und Kugelkoordinaten und t ist die Zeitkoordinate. Im Gravitationsbereich des schwarzen Loches muss sich die Metrik von der obigen unterscheiden. Wir machen daher folgenden Ansatz:

Man kann sich das Leben in der AR sehr viel einfacher machen, wenn man sich die Freiheit der Wahl eines geeigneten Koordinatensystems zu Nutze macht. Störend ist der letzte Term D(r)cdtdr. Durch die Einführung einer neuen Zeitkoordinate

lässt sich der Störenfried beseitigen, denn mit

folgt

Bringen wir etwas Ordnung in das Wegelement:

Durch geeignete Wahl der Funktion Psi kann man den letzten Term zum Verschwinden bringen:

Jetzt definieren wir uns nur noch einen neuen Koeffizienten :

und schon sieht der Ansatz viel freundlicher aus

Wir können den Ansatz noch stärker vereinfachen, in dem wir eine neue Radiuskoordinate wählen. Wir können dann C(r)=1 setzen und gelangen so zur Standardform

Durch Vergleich mit der Minkowskimetrik, können wir auch das Verhalten der Funktionen für r gegen Unendlich festhalten, es gilt nämlich in Abwesenheit von Gravitation

und

Wir wollen den Metriktensor für die Standardform notieren. Mir sei an dieser Stelle die geringfügige Unordnung in den Indizes verziehen. Die Zeitkomponente wird ab hier mit dem Index 0 indentifiziert:

Die kontravariante Form des Metriktensors ist (siehe Tensorrechnung) durch

gegeben. Der metrische Tensor ist in der Standardform diagonal. Es wird sich zeigen, dass diese Sachverhalt eine ordentliche Erleichterung darstellt. Jetzt kräftig in die Hände gespuckt, Sie ahnen es, wir müssen uns mit den Christoffelsymbolen beschäftigen, weil diese das Fundament der Einsteinschen Feldgleichungen bilden. Diese waren definiert durch

Wir wollen das erste nicht verschwindene Christoffelelement berechnen (zur Erinnerung: x0 = t, x1= r, x2= , x3= )

Da die Christoffelsymbole symmetrisch in den beiden unteren Indizes sind, können wir auf einen Schlag gleich zwei Christoffel-Elemente berechnen. Wegen der Diagonalform des Metriktensors reduziert sich die Summe über den Index auf die einzige nicht verschwindende 0-Komponente, also

Da wir von zeitunabhängigen Verhältnissen ausgegangen sind, überlebt nur

Die anderen Elemente kann nun jeder selbst ertüfteln, ich verrate hier nur das Ergebnis:

          

          

     

Noch ist es nicht geschafft. Jetzt haben wir das Material für die Feldgleichungen, also ran: Zu lösen ist

da wir vom quellenfreien Raum ausgehen (d.h. der Energie-Impuls-Tensor verschwindet). Fangen wir mit der 00-Komponente des Ricci-Tensors an:

Der erste Term differenziert nach der Zeit und fällt somit weg

Knöpfen wir uns zunächst den ersten Term vor

Der Index alpha geht von 0 bis 3. Es bleibt in der Summe nur die Ableitung nach dem Radius r übrig, da Winkelabhängigkeiten ausgeschlossen werden, also

Damit erhalten wir

Einige Zwischenschritte habe ich ausgelassen. Die restlichen Ricci-Komponenten möchte ich nur zitieren:

Wir können uns nun an die Lösung des Problems herantasten und schon einmal im voraus darüber freuen, dass diese auch eindeutig ist. Wir bilden zunächst

und erhalten damit

mit der Lösung

Aus dem Grenzverhalten der Funktionen A und B für große r können wir die Konstante festlegen, nämlich

Wir haben im Gleichungspool aber noch mehr Material herumliegen. Bearbeiten wir nun R22 (gleich eingesetzt):

oder kurz

Durch ein wenig scharfes Hinsehen erkennt man die Lösung rB = r + const. Bezeichnen wir die Konstante mit –2a, ist die Lösung für B durch

gegeben und somit auch die für A:

Wir haben das Wegelement der Schwarzschildmetrik gefunden:

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass diese Lösung für den leeren Raum gefunden wurde. Wenn wir uns den Kern des Schwarzen Lochs als unglaublich massive Kugel mit dem Radius R vorstellen, beschreibt unser Ergebnis nur die Verhältnisse für Rasien r die größer oder gleich R sind. Wir können der Integrationskonstanten a auch ein wenig Leben einhauchen, wenn wir auf das Ergebnis aus dem Kapitel Bewegungsgleichungen eines Körpers im Gravitationsfeld zurückblicken. Dort hatten wir näherungsweise für die 00-Komponente des Metriktensors gefunden:

Anstelle von a benutzt man auch häufig den Schwarzschildradius rS:

Betrachten wir z.B. den Schwarzschildradius der Sonne. Mit der Sonnenmasse M = 2·1030 kg ergibt sich für den Schwarzschildradius rS ungefähr 3 km. Wir sehen auch schnell, dass die Schwarzschildmetrik asymptotisch in die Minkowskimetrik übergeht. Doch zurück zu unserem Schwarzen Loch. Die Koeffizienten des Metriktensors werden bei rS singulär. B(rS) = 0 und A(rS) = unendlich. Das bedeutet aber noch zwangsläufig keine Singularität der Raum-Zeit. Z.B. ist

bei r = 0 singulär, obwohl eine Kugel in ihren Zentrum dieselben Eigenschaften besitzt wie an jeder anderen Stelle auch. Betrachten wir eine bei r = rS ruhende Uhr, dann gilt:

Da B(r) bei rS Null wird, erscheint die Zeit am Kugelrand rS unendlich gedehnt (im Vergleich zu einer im unendlichen ruhenden Uhr). Ein bei rS emittiertes Photon erleidet eine unendlich große Rotverschiebung, kann also nicht in den Bereich r rS vordringen. Ein Stern mit dem Radius r rS bezeichnet man daher auch als Schwarzes Loch. Unsere Sonne ist jedoch mit einem Radius von R 7·105 km weit von Sonnen-Schwarzschildradius (3 km) entfernt. Deshalb sind die Abweichungen von der Minkowskimetrik selbst in Sonnennähe minimal.